Freitag, 7. Mai 2010

13 & 14 Venedig

„Venedig!“ rief schon begeistert Harrison Ford aus, als er als Indiana Jones aus dem Gullideckel auf dem Markusplatz stieg. Die Stadt ist wirklich beeindruckend. Ähnlich wie bei Volterra, macht das Wissen um die Stadt dabei viel aus. Also die Vorstellung, dass da überall Wasser unter einem ist. Und der Markusdom angeblich auf 1 Mio. von diesen Lärchen-Pfählen steht, das ist schon ziemlich irre. Nachts sehen die Kanäle aus wie Straßen, als Tourist im betrunkenen Zustand ist das sicher schon mal schiefgegangen.

Aber jetzt ist es morgens und ausnahmsweise auch mal wieder strahlend schönes Wetter, also nichts wie raus zum Markusplatz. Der Platz an sich ist irgendwie kleiner als gedacht und die Tauben scheinen auch nicht so auf nasse Füße zu stehen und haben sich wohl woandershin verkrochen. Echte Venezianer kleiden sich derzeit in Gummistiefeln. Recht haben sie, denn die Pfützen hier können derartige Ausmaße annehmen, dass sie zu unfreiwilligen Umwegen führen. Vor dem Markusdom ist eine ebensolche und daneben schlängelt sich die recht humane Schlange vor dem Eingang entlang. Nach nur 10 Minuten sind wir drin und erklimmen die Treppen (genau, zur Abwechslung mal wieder Treppen, das quietscht auch so schön mit den nassen Schuhen..) und können für läppische 4 Euro auf dem spektakulären Dach und im oberen Stock herumstromern. Die Aussicht ist von hier phantastisch. Aber noch viel toller sind die Wände und Decken des Doms, die mit 1-2 Cent-Stück großen Mosaiksteinen wunderschöne Bilder zieren. Für die großen Hintergrundflächen wählte man schlicht Gold und das haut in der Größe ziemlich um. Meine Physiotherapeutin meinte so stelle sie sich die Himmelspforte vor – ich mir auch! Und sollte ich noch mal richtig zu Geld kommen, auch unser Badezimmer...

Die Besichtigung lohnt sich und wir lassen uns Zeit. Das goldene Altarbild, für das man extra zahlen muss machen wir nicht, was ich jetzt schon wieder bereue. Der Markusdom heißt übrigens so, weil die Venezianer in der zweiten Hälfte des 9. Jhd. den kompletten Evangelisten Markus aus Konstantinopel geklaut haben und ihn zurück in Venedig als neuen Stadtheiligen ausriefen sowie auf die alte Kirche eine bombastischere, passend zur Bedeutung der Reliquie, bauten. Darauf waren sie zudem so stolz, dass sie diese Geschichte auch gleich bildlich auf dem Portal der Kirche festhielten, als Mosaik, versteht sich. Da kann man daher auch heute noch sehen, wie die alte Kirche aussah.

Aber genug der Beutegeschichten, wir wandern bereits weiter durch die Gassen, kehren mal hier mal dort ein und bewegen uns aber ausschließlich auf „festem“ Boden, die Bootsfahrten haben wir für morgen geplant. Außerdem regnet es in regelmäßigen Abständen wieder, was uns zu dem ein oder anderem Kaffee zwingt. Achim hatte aber Recht, wenn er sagt, Venedig ist schon einfach nur toll, wenn man durch die vielen Gassen geht und die sich plötzlich vor einer Häuserwand oder einem Eingang verlieren. Außerdem ist es natürlich noch immer irre den Gondolieri zuzuschauen, die Polizei-, Umzugs-, Gemüseshop- und Ambulanzboote zu bestaunen, hier findet eben echt alles auf dem Wasser statt. Öfter geraten wir auch in Dreharbeiten, vielleicht war’s ja Angelina Jolie? Die müsste auch gerade hier sein.. Wir bleiben viel draußen, machen natürlich noch mal die Rialtobrücke, luken in die Maskenmalereien hinein (die Dinger sind zwar überall, aber zum Teil auch echt beeindruckend) und laufen quasi durch alle erreichbaren Stadtteile. Von Kirchen haben wir erstmal genug, dabei schmückt sich fast jede hier mit einem echten Tintoretto, Tizian und wie sie alle heißen. Auch das Grabmahl von Canova ist hier, aber unsere Füße schmerzen, denn Venedig ist außerdem schon ziemlich weitläufig. Ein weiterer Schauer nimmt uns dann schließlich auch die Wahlmöglichkeit für unser Restaurant, es ist wie bei Forrest Gump – Wasser, das von unten kommt, Wasser, das von oben kommt – wir kehren also in eine nicht sonderlich hübsche Trattoria ein und sind nach ein paar Minuten versöhnt. Hier kochen noch zwei richtige Mamas, kugelrund und mit 50er Jahre Kassenbrillengestellen auf der Nase, sowie Schürze um. Wir bestellen Spaghetti Carbonara, die gibt es nur für 2 und spielen Susi und Strolchi. Die Spaghetti sind gigantisch lecker und wärmen von innen. Lustig ist, dass die Damen die ganze Zeit in der Küche Radio Anni 60 hören und daher auch mal zu Led Zeppelin den Kochlöffel schwingen. Außerdem schielte Mama 1 beim Portionen abmessen heraus um zu gucken für wen das denn wäre. Demnach sahen wir wohl sehr verhungert aus. Danach wandern wir noch ein wenig weiter um die Pfützen in „unsere“ Enoteka, danach in „unseren“ Pub, wo es noch zünftig Rom-Inter und Tottenham – Manchester City gibt. Wieder im Zimmer schwören wir uns heute keinen Hitchcock mehr zu gucken, was wir bei „Cocktail für eine Leiche“ aber gleich revidieren, es ist doch immer herrlich Vorsätze im Kanal zu versenken.

Neuer Tag, neues Glück. Wieder gibt es einen Latte Macchiato im Café nebenan zur Stärkung und dann geht’s ab aufs Schiff. Die 16 Euro Tageskarte pro Person wollen wir tüchtig ausnutzen, deshalb fahren wir gleich mal den Canal Grande bis Lido, eine Insel mit Strand, wo auch immer die Biennale stattfindet. Die ist zu dieser Zeit aber eher unspektakulär, also gibt’s eine Frühstückspizza und wieder rauf aufs Schiff. Am Arsenal, einem Stadtteil auf der Hauptinsel mit Bäumen (dem Giardino) steigen wir um und fahren weiter nach Murano. Auf diese Insel wurden früher die Glasbläser umgesiedelt, da es den feinen Herren aus Venedig zu heikel war mit der Feuergefahr dieses Handwerks so nah an ihren Palästen. Die Glasbläser aus Murano, die sich sicherlich in ihrem Schneewitchensarg umdrehen würden, sähen sie, was heute so feilgeboten wird, durften auch die weitere Umgebung von Venedig nicht verlassen, aus Angst, sie könnten ihr Wissen hinaus in die Welt tragen und so entwerten. Dafür durften sie ihre Töchter in den Adel verheiraten und das war ziemlich vorteilhaft, denn Venedig ist eine der wenigen Oligarchien, die es über 1100 Jahre geschafft haben zu bestehen. Klar, da gab es mal so einen Dogen, der wollte auch die Kaufleute und Handwerker an den Regierungsgeschäften beteiligen, der wurde dann aber pronto geköpft und sein Konterfei im Dogenpalast bis heute mit einem schwarzen Schleier verhängt. Aber sonst war’s ziemlich friedlich.

Die Insel Murano erreicht man mit einem Zwischenstopp auf der Friedhofsinsel. Das ist uns aber zu morbid heute und deshalb geht es gleich weiter. Leider ist Murano echt langweilig, denn die Glasläden gibt es schon in Venedig City nicht zu knapp, so dass sich hier kein richtiges Staunen mehr einstellen will. Ok, man kann hier wohl auch Glasbläsereien besichtigen, aber dafür sind wir zu spät dran um halb vier. Wir trotten also brav die Ladenstraße mit den unzähligen Glasläden ab, was anderes gibt es hier nicht. Die Holländische Familie hinter uns ist entzückt, als sie ein Touristenramschgeschäft mit übergroßen Samthütten und sonstigem China-Tand erspäht: „Endlich ein normales Geschäft“ rufen sie erfreut. Für uns geht es mit dem Schiff schnell weiter und zwar gegen den Uhrzeigersinn um Venedig rum, so schaffen wir es nämlich noch ins jüdische Viertel, das sich vor allem dadurch auszeichnet, dass die Fassaden hier schlichter und ein wenig höher sind. Schnell noch zur Kirche Santa Maria Dei Miraculi, denn hier soll ein Marienbild wunderwirksam sein und dagegen hätte ich nichts. Leider sind wir auch hier zu spät um beim Bild vorzusprechen, rein kommen wir noch und eine Kerze anzünden kann auch nicht schaden. Kerze anzünden? Tja, nach der Spende kann man sich zwar eine dieser roten Grabkerzen nehmen, die werden dann allerdings nur auf einen Kontakt gesteckt und fangen dann elektronisch an zu leuchten. Wie mystisch. Nach einem obligatorischen Eis hoppen wir noch per Boot ins Studentenviertel und gönnen uns hier heute zum Abschied eine leckere Gourmet-Enotheka, die darauf besteht nur Genüsse aus dem Friaul anzubieten, also der Ecke von Venedig Richtung Kroatien. Schinken ist aber Schinken und wir lassen es uns schmecken. Noch schnell ein paar letzte Andenken gekauft und die letzten 300 Bilder geschossen und ab geht’s ins Hotelzimmer, denn morgen wollen 1400km Heimreise am Stück bewältigt werden.

Die verläuft dann auch erstaunlich unspektakulär, Franz hält sich sehr tapfer und gegen 22.°° Uhr sitzen wir schon in Hürth auf dem Sofa, was ziemlich merkwürdig ist, wenn man morgens in Venedig wach wurde.

Wir hoffen euch hat unsere 14 tägige Reise, die uns und euch immerhin durch 19 Orte auf 4000 Kilometer geführt hat, gefallen. Ein Lob noch an BMFY, so ein Saab ist schon ein tolles Auto! Mittlerweile heißt es für uns schon wieder Home Sweet Home in Essen. Aber der nächste Urlaub und Blog kommt bestimmt.

Cheers, es grüßen euch,
Yvonne & Francois

Dienstag, 4. Mai 2010

12 Venedig

Heute endet unsere schöne Zeit in der Toskana. Bereits am Vorabend ging’s ordentlich ans Einpacken und Aufräumen, so dass am Morgen alles recht flott über die Bühne geht. Es regnet wieder in Strömen, also nichts wie weg von hier. Unserer Vermieterin Alessia den Schlüssel abgegeben, noch einen Abschiedslatte im Enj@y getrunken und einen Farewell-Schlenker durchs schöne Volterra getätigt: Arrivederci!


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Unsere letzte Etappe heißt Venedig. Das Wetter hat unsere Lust auf Zwischenstationen wie Parma, Bologna, Canossa, das „Don Camillo und Beppone“-Dorf oder sogar San Marino endgültig begraben. Eins lassen wir uns jedoch nicht vom Brot nehmen: den Hyper-Coop in Poggibonsi, der zum Glück auf dem Weg liegt. Chianti, Olivenöl, Bio-Polenta – wir schmeißen alles in den Wagen, was in Deutschland nicht schmeckt und/oder dort nicht so gut zu bekommen ist. Im Kofferraum müssen wir ordentlich umräumen, damit die vielen Glasflaschen die Alpen heile überstehen.
Das größere Problem sind jedoch zunächst wieder einmal die toskanischen Autobahnen. Die Fahrbahn-Krater bis Florenz kannten wir bereits. Zurück wird ab der Emilia Romana die Strecke viel besser, auch wenn’s wieder einmal hoch hinaus geht (diese Berge verschwinden hier auch nie). Ab Bologna nimmt der Verkehr endlich ab, in Venetien ist sogar tote Hose – und das breit dreispurig und auf flacher Strecke! Wir kommen ziemlich gut durch, doch dann leistet sich das sonst so treue Tom-Tom den ersten Aussetzer: Bei der Gabelung nach Mestre verliert das Navi auf einmal die Nerven. Yvonne geweckt, die uns ganz souverän und oldschool mit Karte aus der Patsche lotst. Da Venedig autofrei ist, muss man sein Gefährt außerhalb parken. Am Rande der Stadt kostet dies gut und gerne 20-30 € pro Tag. Bei drei Nächten läppert sich da ein stolzes Sümmchen. Unser Tipp: Mestre, die Nachbarstadt am Festland hat am Hauptbahnhof ein Riesenparkhaus, wo man wochentags für 8 € 24 h stehen darf. Der Zug bringt einen für 1 € dann nach Venedig, was wunderbar klappt, wenn man – egal wie - die Stazione einmal gefunden hat.

Kaum setzt man seinen ersten Fuß aus dem Bahnhof Venedig Santa Lucia heraus, fühlt man sich wie in einer anderen Welt. Venedig, der Canal Grande und deren Gondelverkehr und Brücken lacht uns an – wie man es sich so vorstellt und doch viel beeindruckender. Ein echtes Highlight zum Schluss unserer Reise und mal etwas ganz anderes! Yvonne ist euphorisiert! Wie praktisch, dass wir unseren Koffer nur gut dreihundert Meter weiter ins Hotel rollen müssen in Richtung des gleichnamigen San Geremia Platzes. Venedig ist ein heißes Pflaster was Übernachtungen angeht, oft hochpreisig, dabei selten hochklassig. Das lange Durchforsten der Onlinebewertungen hat sich jedenfalls gelohnt: Unser vergleichsweise günstiges Zimmer ist sauber und in Ordnung. WC & Bad sind auf dem Flur, aber jedes Zimmer hat sein eigenes. Beim Aufschließen die nächste Überraschung: Das Bad samt Wanne ist genauso groß wie unser Schlafraum und komfortabel. Alles richtig gemacht also!

Die Verfahrerei hat uns gut eine Stunde gekostet. Trotz aller Euphorie braucht Franz erst einmal etwas zu Essen. Wir spazieren weiter über die Bummelgassen und gehen in eines der ersten Lokale, das halbwegs in Ordnung scheint. Das „Touristenmenü“ hat uns der Einfachheit halber gelockt. Während man beispielsweise Lasagne oder Suppe plus Fischfilet mit Pommes oder Salat für 11,50 Recht günstig bekommt, verstecken sich die Kracher auf der Getränkekarte: Cola für neun Piepen? Nein, Danke. Dann lieber den Hauswein für die Hälfte und doppelt Fun. Den gab es vor allem bei der deutschen Übersetzung der Fischkarte: „Tintenfusch polante“ und unter der gemischten Meeresplatte einfach nur „Geiller Fisch“. Das Essen war sicher keine Offenbarung, aber entsprach unseren Bedürfnissen. So verlassen wir satt die Trattoria.

Während unseres Verdauungsspaziergangs wird der Regen immer heftiger. Schade, zu gerne hätten wir weiter unsere Neugier gestillt, doch Yvonne entdeckt zum Glück eine lebendige Enoteca, wo wir bei einem tollem Valpolicella kurz Unterschlupf suchen. Vielleicht probieren wir morgen die großartige Schinkenplatte aus, die die Gruppe vor uns getilgt hatte. Glas leer, weiter geht’s, doch nach unserer obligatorischen Eisdosis kommt es wieder Eimerweise runter. Also steuern wir gemächlich unterm Knirps Richtung Hotel zurück. Die Strecke zieht sich zwar und wir werden klatschnass, doch das macht nichts: Während unserer Runde sammeln wir umso mehr Eindrücke vom einzigartigen Venedig. Den Markusplatz sparen wir für morgen auf, die Ponte Rialto haben wir jedoch bereits einmal bei Nacht überquert. Jetzt haben wir fast alle „bebauten“ Brücken dieser Welt durch. Im benachbarten Irish Pub gibt es Sambucca und ein großes Bier auf die ungewollte Dusche, ehe wir uns gemütlich ins Zimmer verkriechen. Zum ersten Mal empfangen wir mit der ARD deutsches Fernsehen und fühlen uns bei „Maischberger“ und dem „Nachtmagazin“ wieder ein wenig mit der Heimat verbunden. Zum Gute-Nacht-Bloggen gibt’s Hitchcock. Spannend und schön wie unsere letzte Etappe.

Montag, 3. Mai 2010

11 Cecina Mare

Wir sollten Recht behalten: Gestern hatte es sich so lange ausgeregnet bis heute nichts mehr da war. Der Tag beginnt freundlich sonnig und in aller Ruhe, schließlich hetzt uns ja niemand an den Strand.

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Der nächste Ort am Meer ist Cecina (eigentlich Cecina Marina, wie jeder Ort an der etruskischen Riviera eine Entsprechung mit Strand und dem Zusatz „Marina“ hat), gut eine Dreiviertelstunde westlich von Volterra. Am Typ Landstraße hat sich nichts geändert, doch diesmal ist die Sicht viel klarer, sonst hängt stets ein dünner diesiger Schleier überm Panorama. Zwischendurch halten wir wieder für kleinere Fotostopps.

Unser Reiseführer hatte in den wenigen Randbemerkungen nicht zu viel versprochen. Als wir nach einer kleinen Runde einen strandnahen Parkplatz finden, sehen wir, wie die Buden alle dicht machen. Außerhalb der Saison spielt die Küste hier eine Nebenrolle in Sachen Touristenauflauf und ist eher ein Geheimtipp. Wenn überhaupt, dann ist dieser Küstenabschnitt nur bei Italienern beliebt, die hier während der Ferienzeit heimatnah Urlaub machen. Einzelne Deutsche verirren sich aber sogar heute hier hin und auf die ist man vorbereitet: Kurz vor dem Mittagsladenschluss sichern wir uns noch den letzten zerknitterten Stern. Kicker und Gala waren nicht im Sortiment, die Süddeutsche überlassen wir der anderen germanischen Rothaut.

Der dunkelkörnige Strand ist nicht besonders groß, vor allem bei Flut. Neben uns ist kaum jemand vor Ort, wir haben also freie Platzwahl. Die drei Afrikaner mit den jeweils einzelnen Sommerbrillen geben nacheinander auch schnell auf. Das Mittelmeer ist noch recht kühl, dafür knallt die Mittagssonne umso mehr. Nach der dritten Reportage schlendern wir zur kleinen weiß-blauen Strandbar an den Felsen direkt am Meer. Klischee und Niedlichkeit prallen aufeinander: Ein Italiener brummt hinter der Theke samt Kippe im Maul alte Gianna Nanini-Klassiker mit, schüttet seinen Stammgästen Weißwein ein und lacht, wenn wieder mal eine Welle die vorderen Plätze erwischt. Mit etwas Sicherheitsabstand, Eis und Latte Macchiato genießen wir das Plätzchen unter dem schattigen Sonnenschirm, verdaddeln herrlich den Tag und schauen genüsslich zu, wie die Regenwolken ins Landesinnere ziehen.

Bei der Rückfahrt treffen wir auf eben solche. Bemerkenswert: Mal wieder überholt uns ein Fiat 500, diesmal das Original, das entweder tiefer gelegt oder stärker bepackt sein muss, so knapp der wie der Auspuff über der Straße hängt. Der Flitzer zieht lässig an fünf Jeeps, Limousinen und Neuwagen vorbei, ehe er in der Kurve am Horizont verschwindet. Bei den modernen Remakes haben wir das schon öfter erlebt, auf der Autobahn sind’s immer dieselben Verdächtigen, die links mit Lichthupe vorbeidrängeln, nämlich Autos Marke klein und gemein. So einen Speedy-Oldie hatten wir allerdings noch nicht im Repertoire.

Nach den letzten Tagen und vielen Reisen, kann man schon sagen, dass wir alle Facetten der Toskana kennengelernt haben: Sonne, Regen und Nebel; Landschaften, mittelalterliche Städtchen, die Hauptstadt Florenz sowie das touristische Pisa und auch kulinarisch haben wir überall gerne zugegriffen. Die größten Kuriositäten erlebt man dennoch immer wieder im Straßenverkehr: So nutzen die Italiener gerne belebte Knotenpunkte wie einen Kreisverkehr oder den Seitenstreifen auf der Autobahn (!), um in aller Seelenruhe Obst und Gemüse anzubieten. Das scheint auch keiner merkwürdig zu finden und natürlich wird dann auch in zweiter Reihe im Kreisverkehr gehalten um noch ein paar Tomaten mitzunehmen. Besonders auf der Autobahn kann man dann von Spontankauf sprechen, denn die Kaufentscheidung muss in Windeseile gefällt werden, ehe die Park- bzw. Nothaltebucht mit dem flotten Orangenhändler vorbei ist. Man versuche das mal auf der A40...

Zurück in Volterra, flüchten wir vorm Regen in den Supermarkt, wo wir uns mit letzten Sachen fürs Abendessen eindecken und Franz schon einmal die limited Tuborgdosen & Co für zuhause bunkert. Im Häuschen verbraten wir dann schließlich die allerletzten Reste und zaubern ein grandioses Mahl auf den Tisch: Steinpilz/Kürbis-Tortellini mit frischem Genua-Pesto, Salat, in Olivenöl geröstetem Kartoffelbrot sowie Honigmelone in Schinken gehüllt; als Dessert: Sterne-Schokotörtchen. Hmmmmm. Den Rest Rotwein wollen wir auch nicht mit nach Venedig schleppen. Angedüddelt und satt geht es dann ans letzte Mal packen und aufräumen, denn ins morgen anstehende, autofreie Venedig möchten wir so wenig Gepäck wie nötig schleppen. Cin cin und bis morgen!

Sonntag, 2. Mai 2010

10 Siena

Es regnet, nicht nur so ein bisschen, sondern volle Pulle! Das sieht hier zwar „hübsch“ aus, ist aber ganz schön ungemütlich. Unsere spontanen Pläne Richtung etruskische Riviera werfen wir im wahrsten Sinne über Bord und ziehen den Städtetrip nach Siena einen Tag vor. Aber zuerst halten wir noch einmal in Volterra, wo Yvonne ihr Interview mit der Touristiktante führt und Franz nochmal im Enj@y enjoyt. Gestärkt mit doppeltem Kaffee Macchiato schippern wir dann die gut 50 km gen Siena.


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Nachdem wir Bilder vom Stadion im Internet gesehen haben, begräbt selbst Franz den spontanen Funken, das Erstliga-Match zwischen Siena und Palermo zu besuchen. Siena ist eh nicht bekannt für seinen Fußball, sondern für Dom, Uni, Piazza del Campo und seinen Jahrhunderte alten Konkurrenzkampf mit Florenz. Auf Touristen ist man hier scheinbar eingestellt. Vom Parkhaus führt eine fünfteilige Rolltreppe bis kurz vor den Duomo in der hochgelegenen Altstadt – wie praktisch!

Es ist nass, es schüttet, also nichts wie rein in die edle Zebra-Kathedrale. Nur vor die Andacht hat Gott die Kasse gesetzt. Zwölf Tacken will man hier für den Eintritt sehen. Wir durchwühlen unsere Brieftaschen nach Ausweisen von Wert, also Rabatten, und ziehen den Joker: Der deutsche Schwerbehindertenausweis did the trick ohne ein Wort Englisch drauf, und auch die Begleitperson darf umsonst mit rein.


Der Dom ist wirklich eine Pracht, auch wenn man nicht den Eindruck hat, dass er noch in seiner eigentlichen Funktion in Benutzung ist. Den Fußboden schmücken ganze Szenen aus Marmorintarsien in schwarz – weiß – rot. Entlang des Hauptschiffes säumen an der Decke hunderte von Steinportraits die Seiten und besonders hat es uns natürlich wieder die kleine Bibliothek angetan, in der riesenhafte Gesangsbücher aus dem 15. Jhd., deren Seiten aus dünnen Leder sind, ausgestellt werden. Jede Menge Tierfiguren schmücken außerdem bunte Fahnen und Fresken und das hat seinen Grund: Alljährlich findet in Siena ein traditionelles Pferderennenspektakel auf der Piazza del Campo statt. Die zehn Stadtteile, repräsentiert von zum Beispiel Gans, Eule, Elefant, Einhorn oder Drache, treten gegeneinander an. Pferd und Reiter werden dabei im Losverfahren zusammengeführt, siegen kann aber nur der Gaul und das zur Not auch ohne Reiter. Dafür bekommt es dann auch einen eigenen Platz an der Tafel beim Festessen.

Im Moment sind aber weder Ross noch Reiter zu sehen, eher regnet es cats and dogs und daher ziehen wir mit unserem Superticket gleich noch weiter in das gegenüber befindliche Museum. Es ist bekannt für seine alten Fresken und da gleichzeitig eine Chorprobe stattfindet wird die sakrale Kunst äußerst stimmungsvoll untermalt. Interessant ist, dass es in Siena bereits im 14. und 15. Jahrhundert ein Gemeinwohlwesen gab, das nach heutigen Maßstäben (wieder) vorbildlich ist. Die Kirche wirkte hier als Hospital, half mit Armenspeisung und nahm sich verlassener Kinder solange an, bis diese mit Ausbildung im Beruf standen oder verheiratet waren! Doch irgendwann können wir den heiligen Bildchen und Holzstatuen nichts mehr abgewinnen und planschen weiter Richtung Piazza del Campo. Auf dem Weg dahin gibt es natürlich unser tägliches Eis, eine Sache, die sich der Italiener an sich auch bei miesestem Wetter nicht nehmen lässt. Danach versuchen wir noch ein wenig zu Bummel und den perfekt fächerförmigen Platz mit seiner beeindruckenden Größe und dem überragenden Turm entsprechend zu würdigen, aber es ist wirklich so ungemütlich, dass wir ohne unsere rettenden Ponchos endgültig beschließen die Segel zu streichen.


Ab zu BMFY, Sitzheizung an! Zum Glück ist unser Saab Drei-wetter-Tough, denn mittlerweile kommt es wie aus Eimern von oben herab. Witterungen mit der nicht jede toskanische Straße zurecht kommt. Als dann auch noch Nebel aufsteigt wird die Fahrt ins Häuschen doch noch anspruchsvoller. Immerhin konnten wir die Do-It-Yourself-Esso-Tankstelle bezwingen und hatten so endlich wieder den Tiger im Tank. Von kleinen hungrigen Wildkatzen wimmelte es auch beim Agro-Weinbauern in unserer Nachbarschaft, der seinen Trank und Öl direkt verkauft. Die Preise zeugen jedoch von gesundem beruflichen Selbstbewusstsein, welches wir nicht in dem Maße erwidern.

Zuhause angekommen gibt es ein fürstliches Resteessen: Bruschetta della Tutti Speciale, nur der Verdauungs-Sonntagsfilm danach fehlt in unserem Offline-Glück. Franz überlegt, ob die DVD-Beilage der Sportbild vom letzten Sommer noch im Fußraum liegt, doch liest stattdessen Yvonne italienische Sportschmankerl aus seinem Buch vor, ehe es ans Bloggen geht (Erde an Petrus). Heute hat es so viel geregnet (bzw. tut es immer noch), dass morgen die Wolken eigentlich leer und hoffentlich verschwunden sein müssten. Wer es besser weiß - wir freuen uns auf Eure Kommentare!

Samstag, 1. Mai 2010

09 San Gimignano – Volterra

Heute ist Feiertag, auch in Italien und bei uns. Wir schlafen gemütlich aus, drehen uns noch zweimal nach rechts und links bevor wir mit einem ausgiebigen Frühstück auf der einer unserer Terrassen den Tag beginnen. Neben Caprese, Fenchelsalami & Co gibt es den Kicker und eine Glamour – endlich Urlaub ;)!




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Gemütlich machen wir uns mittags auf nach San Gimignano, denn eine Stadt, die ein Sight an sich ist, erscheint uns an einem nationalen Feiertag ein gutes Ziel. Auf dem Weg herrscht heute reges Treiben, Salamander, Kröten und anderes Getier kreuzen unseren Weg. San Gimignano liegt wie Volterra auf einer Anhöhe und protzte im 14. Jahrhundert mit 72 Familien-Macht-Türmen, von denen heute noch 14 erhalten sind. Von weitem wird die Stadtsilhouette mangels Größenverhältnisvorstellung beim Betrachten gerne mit Manhattan verglichen. Heute hat San Gimignano, dass Yvonne vor 14 Jahren als verschlafenes Örtchen kennengelernt hat, leider tatsächlich was vom Big Apple, denn halb Italien und alle Touristen haben sich aufgemacht heute den innerhalb der Stadtmauern komplett mittelalterlichen Ort zu erkunden.


Es ist ein Geschiebe wie auf dem Weihnachtsmarkt und wie dort bieten auch alle Geschäfte ungefähr das gleiche an, nämlich im Wechsel Wurst, Wein & Gebäck, dann bemalte Keramik, dann Trikots und merkwürdige Geschmacklosigkeiten bevor es wieder losgeht mit Wurst...

Zumindest kommt hier keine Einsamkeit auf, ein Gefühl, dass wir von unserer Villa kennen, bei der wir uns beide einig sind, dass wir alleine dort nicht wohnen wollen würden. Wir schlängeln also weiter durch die Gassen von San Gimignano, haben aber schon nach zwei Stunden genug und begeben uns zurück nach Volterra, um im Internetcafé des Ortes unseren Blog zu aktualisieren und mal zu gucken wie teuer die Twilight-Führung ist, bzw. was diese umfasst.

Genau um 18.°° Uhr, also mit Toresschluss, betreten wir die Touristikzentrale. Die Twilight-Tour soll 30 Euro pro Person kosten und zeigt einige Stationen des Films, wie ein paar mysteriöse Orte, zu denen sich die Österreichische Angestellte nicht näher auslassen will. Dafür sichert sie mir freudig ein Interview am nächsten Morgen zu, betont, dass der Spiegel, die Zeit und RTL ja auch gerade da waren (O-Ton: „Ich will ja nicht protzen..“) und sorgt dafür, dass wir gratis noch schnell zur gerade begonnenen Führung dazustoßen können. Unsere Guide ist Niederländerin aus Den Bosch, die bereits 30 Jahre in Volterra wohnt, und sich sehr darüber freut mit Franz kleine Schwätzchen auf Holländisch zu halten.
Ansonsten „folgen“ wir dem Weg, den Alice Cullen mit dem gelben Porsche im Film „New Moon“ zurückgelegt hat. Der Rest wurde, obwohl das Buch ausschließlich von Volterra ausgeht, in Montepulciano gedreht. Darüber wird in der Führung aber lässig hinweggegangen, stattdessen führt man die Meute in dunkle Gassen die „vampirgeeignet sein könnten“ und macht das aber ganz charmant. Toll ist, dass wir so die alten römischen Amphitheateranlagen zu sehen bekommen, die wir zuvor im Alleingang nicht gefunden hatten. Volterra ist nämlich von Erdrutschen bedroht und bei einem dieser Erdrutsche vor 60 Jahren wurde diese römische Stätte entdeckt. Überhaupt ist Volterra wirklich interessant, da hier Etruskerzeit (ab 800 v. Chr.), römisches Imperium, Mittelalter und Renaissance sichtbar ihre Spuren hinterließen.



Schließlich wird die Gruppe unter Tage geführt, in einen Hintereingang der auffällig mit dunkelroten Fahnen markiert ist und in etruskischer Schrift „Volturi“ überm Eingang trägt. Klarer Fall, hier ist der geheime Eingang zum Reich der Vampire. Dunkel genug ist es jedenfalls und daher auch irgendwie richtig lebensgefährlich, denn die unregelmäßigen, alten Stufen führen tief hinab in einen Keller und man sieht die Hand vor Augen nicht. Dazu erklingt „Claire de Lune“ von Debussy, ein weiteres Twilight-Schmankerl. Unten angekommen wird offensichtlich das enge Kellergewölbe mit einer Kette verschlossen und nur ein paar Kerzen geben die Sicht frei auf zwei in schwarze Umhänge gewandete Gestalten. Diese schwärmen jetzt aus, um sich einzelne aus der Touristengruppe auszusuchen und beweisen guten Geschmack, indem sie als allererstes Francois auswählen, der als einziger in der ganzen Gruppe von Tuten und Blasen in Sachen Twilight keine Ahnung hat. Er wird einem dritten Schwarzkittel übergeben, der seine Hände schweigend ausgiebig betrachtet und ihn dann auf einen alten Stuhl im Hintergrund führt. Die Szene hat was von gruftigen Hänsel und Gretel, aber auch das geht vorbei, das Licht geht etwas an und wir sehen, dass wir uns in einer Kneipe befinden, wo jetzt Wein, Wurst & Gebäck angeboten wird, während sich die Twilight-Fans auf einer Wand verewigen dürfen und die Volturi-Studenten etwas verloren in ihren schwarzen Umhängen rumstehen. Franz wollte auf den Schrecken nur ein kleines Schlückchen „Blutwein“ haben, weil er ja noch fahren müsste, wie er dem Kellner mitteilt. Der bemerkt nur „es gibt auch andere Probleme“ und macht das Glas randvoll.

Mit etwas Verzögerung kommen wir schließlich im Enj@y-Café an, wo’s endlich ans Bloggen geht, begleitet von italienischen Fußballübertragungen. Nach getaner Tat gondeln wir zurück in unser Villen-Nest und kochen uns Telefonschnur-Spaghetti mit Restesoße, die ganz hervorragend schmecken, dazu gibt es einen Ruffino aus der Region.


Unsere ursprüngliche Planung morgen die Therme di Saturnia – natürliche Schwefelquellen auf Tuffsteintreppen-Wasserfall, Pitigliano, eine Tuffsteinstadt, und den Niki de Saint Phalle-Garten zu machen, lassen wir bedauernd fallen und schwächeln doch mal, denn das hieße mindestens 7-8 Stunden Autofahrt morgen und das ist auf den gefährlichen Landstraßen kein Urlaub, sondern eher eine Strafe. Diese Punkte seien interessierten Italien-Urlaubern aber trotzdem sehr ans Herz gelegt. Mal gucken was uns morgen stattdessen einfällt.

Freitag, 30. April 2010

08 Florenz

Obwohl wir ganz in Ruhe früh um halb zehn aus dem Bettchen krabbeln, wird es dann doch noch ganz eng. Heute steht Florenz auf dem Plan, das etwa gut 70 km von unserem Häuschen entfernt liegt. Organisiert wie wir sind, haben wir natürlich schon Tickets für die Uffizien, dem italienischen Louvre, online gebucht, da wir keine zwei Stunden anstehen wollen. Unser Zeitfenster: 12.15 Uhr, dann haben wir Einlass.


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Die erste Hälfte der Strecke in die toskanische Hauptstadt verläuft wieder komplett über Landstraße. Wieder ist das Wetter großartig, die Aussicht atemberaubend (Yvonne: und der Gegenverkehr auch...). Die Straßen sind im guten Zustand, eine Kurve folgt der nächsten, es macht richtig Spaß über die Piste zu düsen (Yvonne: Als Beifahrer nicht), Virgin Radio haben wir bereits eingespeichert.
Die tollen Landstraßen stehen ganz im Kontrast zu den toskanischen Autobahnen. Eng, zweispurig ohne Standstreifen und im MISERABLEN Zustand. Die A40 ist das Paradies im Vergleich. Die Autostrada gen Firenze kennt Schlaglöcher, wie sie sonst nur die NASA erforscht. Nicht mal in der Nase bohren kann man, beide Hände umklammern das Lenkrad (Yvonne: hihi!). Immerhin – oder gerade deshalb – ist die Maut hier am billigsten: 40 cent, dafür lohnt sich der Aufwand auch nicht. Normaler Italo-Kurs bisher: gut 1 Euro pro 10 km! Allerdings nicht auf allen Streckenabschnitten. Tom-Tom glänzt wieder einmal, in dem er vor allen Blitzern lautstark warnt.



Die 12.15 werden knapp, als wir von Süden die Stadt hineinfahren. Das Zentrum ist verkehrsberuhigt, am Arno-Ufer finden wir jedoch nach einer ersten Erkundungsrunde einen zufriedenstellenden Parkplatz. Kostete das Stehen in Turin teilweise noch 4 € die Stunde, sind wir überrascht, dass wir für 7 € bis 18:45 hier so prima bleiben können. Pünktlich um Viertel nach 12 erreichen wir den Eingang der Uffizien, allerdings den falschen. Beim richtigen erfahren wir, dass der Holländer aus Deutschland mit dem französischen Namen entweder als 24-jähriger für die Hälfte, oder als Journalist für Umme reingekommen wäre, Yvonne auch. Egal, wir sind heute in der Mission als Touristen unterwegs und ignorieren auch genau so ahnungslos die „Fotografieren verboten“-Schilder im Gebäude. Wir sind schließlich in Italien, hier sieht man es mit der Pünktlichkeit wie mit den Verboten nicht so eng. Bevor wir jedoch richtig loslegen, brauchen wir ein kleines Frühstück, welches hier auf der Dachterrasse serviert wird. Danach schlendern wir durch die Gänge, freuen uns über Dürer, Cranach, Tintoretto, Tizian, da Vinci, Rembrandt und andere holländische Meister. Das Highlight sind natürlich Boticellis Venus und der Frühling.



Kunstvoll geht es auch nach Verlassen des Museums weiter: Auf dem Vorplatz stehen unzählige Repliken großer Meister herum, darunter der nackte David. Florenz ist von Touristen stark frequentiert, auch sehr touristisch wenn man sich die zig Souvenirläden und –artikel ansieht, allerdings nicht neppig wie Pisa. Wer an den gut sortierten Lederständen nichts kaufen will, wird nicht bedrängt oder überredet. Man kann angenehm bummeln und das tun wir, sogar mit Erfolg. Franz findet hier sein violettes, gut gefälschtes Trikotschnäppchen der Fiorentina, Yvonne unter anderem eine helle Lederhandtasche, die unauffällig der Prada Vitello ähnelt. Auch hier findet sich ein bronzenes Wildschwein, wir vermuten, dass das Wildschwein, was hier omnipräsent auch als Stofftier und Anhänger gehandelt wird, ein Zeichen der Medici war, können das aber mangels Internet und Italienischkenntnissen nicht nachprüfen. Jedenfalls streichelt Franz willige die schon blankgeriebene Schnauze – soll ja Glück bringen.

Vom Leder zum Gold: An der Ponte Vecchio machen wir nach unserem täglich Eis einen auf Schalke 04: Nur gucken, nicht anfassen. Ganz früher residierten hier die Fleischer, doch den Gestank waren die Herrscher bald Leid und siedelten Goldschmiede hier auf der noch erhaltenen Brücke an. Neben der, die wir in Bath bei unserer letzten Sommerreise gesehen haben, ist die Ponte Vecchio eine von vier noch erhaltenen bebauten Brücken in dieser Art weltweit.


Nach einem Bummel führt unser letzter Abstecher natürlich noch zum Duomo, der farblich auffällt. Grün-Weiß-Roter Marmor, Italiens Farben, zieren Dom, Campagnile und das Baptisterium. Hier manifestierte sich die geistliche Macht des alten Florenz, das der politischen Macht mit Uffizien und Palazzo Pitti, etc. also auch örtlich gegenüberstand.


Überall rüstet man sich für den morgigen Nationalfeiertag und wir merken, dass etwas Bevorratung für die kommenden Tage keine schlechte Idee wäre. Also schlendern wir shoppend zurück zum Auto und halten auf der Rückfahrt nach Volterra Ausschau nach einem Groß-Supermarkt, nachdem wir über eine Aussichtsplattform einen tollen Blick über Firenze werfen durften. Erst nach gut zwanzig Kilometern entdeckt Franz zwischen zwei Bäumen ein kleines Coop-Logo. Direkt die Ausfahrt genommen und mittendrin im Ausnahmezustand.



Mit Glück finden wir eine halblegale Parklücke in zweiter Reihe. Erst nach Minuten kann sich Franz noch einen freien Einkaufswagen krallen – Feiertag in Italien heißt nämlich „alles was drin ist“. Siebenspurig steht man im Markt teilweise nebeneinander, oft durcheinander – Szenen wie im italienischen Straßenverkehr. Es wird gegrabscht, gerochen, ausgetauscht, gerafft, progressiv angestanden und lauthals krakelt. Massen sind in Bewegung, alles wird in den Einkaufswagen geschmissen, viel ist eh nicht mehr übrig, obwohl es sich um einen Hypermarkt handelt. Salat? Seit Stunden ausverkauft. Brot? Nur noch das harte, aber immerhin typische, aus der Toskana. Tomaten? Nur die ganz kleinen. Wir lassen uns von der Apokalypse anstecken und finden endlich alle Köstlichkeiten, nach denen wir suchen und decken uns ein: Pesto, Pasta, Wein, Milch, Schinken, Salami, Käse, Öl, Essig, Gewürze, Dolci, Mozzarella, Gemüse, Backwaren, Basilikum – das Wochenende kann kommen. Alle Lebensmittel stecken hier unsere Feinkostfuzzies dreimal in die Tasche. Frische, Saftigkeit – und am Ende auch der Preis, sind unschlagbar. Hier bekommt alle Artikel nach Wunsch aus der Region, auch in Bio aber das ist gar nicht mehr nötig.



Hungrig fahren wir die letzte Streckenhälfte nach Hause. Die ach so tolle Landstraße ist bei Einbruch der Dunkelheit weitaus weniger attraktiv. Doch Ferrari-Franzo hat heute Schwein gehabt: Erst in Florenz eins gestreichelt, dann eine ganze Familie verschont. In einer schmalen S-Schikane überqueren ein Eber, eine Bache mit Frischlingen die Straße. Dank Fernlicht konnten wir anhalten und eine gute Reise wünschen, sonst hätte es die auch noch auf der Speiseplatte gegeben.
Die Haustür ist kaum auf, da kocht schon das Wasser für die frischen Ravioli. Wir lassen es uns gut gehen, zum Bloggen gibt’s heute zur Feier des Tages Schweinewein, und zwar einen 2008er Ventoso Morellino de Scansano (www.morrellinodescansano.it) samt Hausschwein-Etikett. Egal was die nächsten Tage kommt, wir werden nicht verhungern..., aber das dachtet ihr auch nicht, oder?

Donnerstag, 29. April 2010

07 Pisa – Lucca – Volterra


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Für unsere Weiterfahrt in die Toskana braucht Yvonne ganz dringend fünf frisch gepflückte Limonen aus Bartolomes (Herkules’ Sohn) Garten. Frisch sind wir bereits bei der Ankunft am Auto nicht mehr, denn mehr als eine Kilometer zerren wir unsere Koffer steil bergauf. Autofreie Zonen können auch ihre Nachteile haben. Immerhin haben wir so unser Workout schon am Vormittag hinter uns.
BMFY hatte genug Zeit zum Ausruhen, denn jetzt geht es wieder die Korkenzieher-Straße hoch und runter. An den Kreide-Anfeuerungen auf dem Asphalt erkennt man, dass hier die Giro d’Italia entlang flitzte. Das sagt alles über das Bergprofil aus. Streng genommen ist die Achterbahn bis La Spezia auch nur ein Fahrradweg – von der Breite her. In La Spezia, was Yvonne streckenweise an die Cote d’Azur erinnert, dann wieder an Rotterdam, sagen wir Ligurien „Bella Ciao!“ und tauchen ein in die Toskana, wo die Berge immer noch nicht verschwinden und wir eine erste Studie in Pisa durchführen.

Pisa ist in dem Sinne toll, weil alle Sights auf einem Haufen, dem Piazza dei Miraculi, zu finden sind: Auf der einen Seite der schiefe Turm (der ist wirklich ein bissle schräg), das Baptisterium und der Duomo, auf der anderen Seite der Touristen-Nepp aus Fernost. Die Trikots hier sind so schlecht gefälscht, dass selbst Franz die Finger davon lässt. Bereits am Parkplatz will man uns eine „natürlich echte“ Rolex andrehen (die Leute müssen da echt gut verdienen, wenn sie mit 40 Stück am Arm herumlaufen...), doch wir sind Turbotouristen und drehen einfach nur die obligatorische Runde, schießen die klassischen Fotos und sitzen nach weniger als einer Stunde schon wieder im Saab in Richtung Lucca.



Das etwa dreißig Kilometer entfernte Lucca ist quasi das Gegenteil von Pisa. Das historische Zentrum ist groß, die Stadt an sich ist ein Gesamtkunstwerk und von Nepp verschont, alles ist echt und nicht überlaufen. Studenten radeln durch die Fußgängerzone, hier ein Puccini-Denkmal, an der nächsten Ecke ein neues imposantes Gebäude. Highlight ist ein perfekt ovaler Marktplatz, der auf den Ruinen eines alten römischen Amphitheaters gebaut wurde. La Dolce Vita bei strahlendem Sonnenschein, in diesem Idyll gönnen wir uns in Ruhe einen kleinen Snack mit doppeltem Latte Macchiato und gehen nach zwei Stunden zurück zum Auto. Die Besonderheit: Lucca ist umringt von einer intakten Stadtmauer, auf der man laufen kann.


Bei Volterra wollen wir unser Quartier beziehen. Über das Internet haben wir ein kleines Ferienhäuschen für ein paar Tage gemietet. Volterra bot sich deshalb an, weil man von hier aus wunderbar sternförmig alle Ecken der Toskana anfahren kann. Nach den Alpen und den Serpentinen in Ligurien, schockt Franz nichts mehr, schon gar nicht die 70 Kilometer über Landstraßen-Alleen. Das Wetter ist herrlich, der Verkehr hält sich in Grenzen. Eine Kurve folgt der nächsten, die Strecke ist hügel- aber nicht bergig, und das typische Bilderbuch-Toskana-Panorama erstreckt sich bis zum Horizont. Die Straße gehört uns: Easy-Rider-Feeling und das Radio rockt mit.
Apropos: Die Radiosender sind ziemlich gewöhnungsbedürftig: 99% von ihnen spielen nur Songs bis 1982, senden Dauerwerbung und/oder quatschen die ganze Zeit. Ausnahmen sind: Radio Maria, wahrscheinlich direkt aus dem Vatikan. Der Sender ist komplett kirchlich und wer will kann um Punkt 12 Kirchenglockengebimmel auf der Autobahn bekommen. Wir bevorzugen aber Radio Virgin, hier gibt es immerhin 30% Songs, die nicht zuerst auf Vinyl erschienen sind. Skurril die Sendung „Rock in Translation“. Bekannte Lieder werden vorweg über der Musik ins italienische Übersetzt und das mit möglichst viel Pathos, um die selbe Stimmung einzufangen. „Wicked Game“ bekommt so eine höchst anzügliche Note.

Tom-Tom (Mille Grazie, Claire!) findet die angegebene Adresse der Villa Loghino bis zur letzten Kreuzung problemlos, aber dann... Sagen wir so: Wir kennen jetzt alle unsere hilfsbereiten italienischen Nachbarn (samt Hunden). Bei der vierten Kieseinfahrt sind wir endlich richtig. Das langgezogene Natursteinhaus unterteilt sich in mehrere kleine Ferienwohnungen und ein Haupthaus. Am Pool wird gerade wohl gearbeitet. Die Vermieterin Alessia ist nett aber verpeilt. Mit Händen und Füßen klappt die Verständigung jedoch wie immer. Neben uns nächtigt eine deutsche Familie aus BB, wie am S-Klasse AMG Benz (vier Auspuffrohre!) abzulesen ist. Hier hat man seine Ruhe, nachts ist es sehr dunkel, selbst der tiefe Vollmond trägt heute dunkelorange.



Nach unserer Ankunft ziehen wir schon wieder weiter, nämlich ins 8 km entfernte Volterra. Die Etruskerstadt (2500 Jahre alt!) ist eine der höchstgelegenen der Toskana. Die Aussicht bei der automobilen Besteigung ist wie gemalt. Hier kriegen die Reiseführer also ihre Landschaftsbildchen her...
Wir parken BMFY in die (nicht 2500 Jahre alte) Tiefgarage und begeben uns auf Nahrungssuche. Dabei streifen wir gaaaaaanz zufällig die Piazza dei Priori. Twilightsichere wissen natürlich sofort, dass es sich hier um den Hauptsitz der königlichen Volturi-Vampirfamilie handelt. Das weiß auch die Touristikzentrale, die hier mit entsprechenden abendlichen Führungen wirbt, um den Fans die Hoffnung auf ein paar bissige Eindrücke nicht zu nehmen. Franz möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass WIR NICHT DESHALB HIER UNSER QUARTIER AUFSCHLAGEN. Yvonne sagt, nehmen wir trotzdem mit und plant ein spontanes Interview mit einem englischkundigen Touristikvampir. Ansonsten ist Volterra bis auf ein paar dezente Schaufensterauslagen vom Boom verschont geblieben. Die Stadt ist steinalt und größer als gedacht, vor Christus war Volterra sogar dreimal so groß wie heute. In den alten Gemäuern reihen sich nette Geschäfte, auf der Straße herrscht lebendiges Treiben.

Nach einer Runde entscheiden wir uns für eine typisch toskanische Trattoria, wo wir unseren Hunger auf Steak mit Salat stillen, wobei wir uns nur aufwärmen für die Königsmahlzeit, das Florentiner Steak, doch zu diesem Brocken morgen mehr. Nach einem Verdauungsspaziergang mit dem obligatorischen Eis gönnt sich auch Tom-Tom mal eine Auszeit.



In unserem Häuschen packen wir unsere Sachen aus, schauen die Fotos des Tages an (wie waren heutemorgen noch tatsächlich in Vernazza...), bloggen und gönnen uns ein (oder zwei) Gläschen Chianti. Gleich heißt es: Florenz vorbereiten, denn die Hauptstadt der Region steht morgen an.