Donnerstag, 29. April 2010

07 Pisa – Lucca – Volterra


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Für unsere Weiterfahrt in die Toskana braucht Yvonne ganz dringend fünf frisch gepflückte Limonen aus Bartolomes (Herkules’ Sohn) Garten. Frisch sind wir bereits bei der Ankunft am Auto nicht mehr, denn mehr als eine Kilometer zerren wir unsere Koffer steil bergauf. Autofreie Zonen können auch ihre Nachteile haben. Immerhin haben wir so unser Workout schon am Vormittag hinter uns.
BMFY hatte genug Zeit zum Ausruhen, denn jetzt geht es wieder die Korkenzieher-Straße hoch und runter. An den Kreide-Anfeuerungen auf dem Asphalt erkennt man, dass hier die Giro d’Italia entlang flitzte. Das sagt alles über das Bergprofil aus. Streng genommen ist die Achterbahn bis La Spezia auch nur ein Fahrradweg – von der Breite her. In La Spezia, was Yvonne streckenweise an die Cote d’Azur erinnert, dann wieder an Rotterdam, sagen wir Ligurien „Bella Ciao!“ und tauchen ein in die Toskana, wo die Berge immer noch nicht verschwinden und wir eine erste Studie in Pisa durchführen.

Pisa ist in dem Sinne toll, weil alle Sights auf einem Haufen, dem Piazza dei Miraculi, zu finden sind: Auf der einen Seite der schiefe Turm (der ist wirklich ein bissle schräg), das Baptisterium und der Duomo, auf der anderen Seite der Touristen-Nepp aus Fernost. Die Trikots hier sind so schlecht gefälscht, dass selbst Franz die Finger davon lässt. Bereits am Parkplatz will man uns eine „natürlich echte“ Rolex andrehen (die Leute müssen da echt gut verdienen, wenn sie mit 40 Stück am Arm herumlaufen...), doch wir sind Turbotouristen und drehen einfach nur die obligatorische Runde, schießen die klassischen Fotos und sitzen nach weniger als einer Stunde schon wieder im Saab in Richtung Lucca.



Das etwa dreißig Kilometer entfernte Lucca ist quasi das Gegenteil von Pisa. Das historische Zentrum ist groß, die Stadt an sich ist ein Gesamtkunstwerk und von Nepp verschont, alles ist echt und nicht überlaufen. Studenten radeln durch die Fußgängerzone, hier ein Puccini-Denkmal, an der nächsten Ecke ein neues imposantes Gebäude. Highlight ist ein perfekt ovaler Marktplatz, der auf den Ruinen eines alten römischen Amphitheaters gebaut wurde. La Dolce Vita bei strahlendem Sonnenschein, in diesem Idyll gönnen wir uns in Ruhe einen kleinen Snack mit doppeltem Latte Macchiato und gehen nach zwei Stunden zurück zum Auto. Die Besonderheit: Lucca ist umringt von einer intakten Stadtmauer, auf der man laufen kann.


Bei Volterra wollen wir unser Quartier beziehen. Über das Internet haben wir ein kleines Ferienhäuschen für ein paar Tage gemietet. Volterra bot sich deshalb an, weil man von hier aus wunderbar sternförmig alle Ecken der Toskana anfahren kann. Nach den Alpen und den Serpentinen in Ligurien, schockt Franz nichts mehr, schon gar nicht die 70 Kilometer über Landstraßen-Alleen. Das Wetter ist herrlich, der Verkehr hält sich in Grenzen. Eine Kurve folgt der nächsten, die Strecke ist hügel- aber nicht bergig, und das typische Bilderbuch-Toskana-Panorama erstreckt sich bis zum Horizont. Die Straße gehört uns: Easy-Rider-Feeling und das Radio rockt mit.
Apropos: Die Radiosender sind ziemlich gewöhnungsbedürftig: 99% von ihnen spielen nur Songs bis 1982, senden Dauerwerbung und/oder quatschen die ganze Zeit. Ausnahmen sind: Radio Maria, wahrscheinlich direkt aus dem Vatikan. Der Sender ist komplett kirchlich und wer will kann um Punkt 12 Kirchenglockengebimmel auf der Autobahn bekommen. Wir bevorzugen aber Radio Virgin, hier gibt es immerhin 30% Songs, die nicht zuerst auf Vinyl erschienen sind. Skurril die Sendung „Rock in Translation“. Bekannte Lieder werden vorweg über der Musik ins italienische Übersetzt und das mit möglichst viel Pathos, um die selbe Stimmung einzufangen. „Wicked Game“ bekommt so eine höchst anzügliche Note.

Tom-Tom (Mille Grazie, Claire!) findet die angegebene Adresse der Villa Loghino bis zur letzten Kreuzung problemlos, aber dann... Sagen wir so: Wir kennen jetzt alle unsere hilfsbereiten italienischen Nachbarn (samt Hunden). Bei der vierten Kieseinfahrt sind wir endlich richtig. Das langgezogene Natursteinhaus unterteilt sich in mehrere kleine Ferienwohnungen und ein Haupthaus. Am Pool wird gerade wohl gearbeitet. Die Vermieterin Alessia ist nett aber verpeilt. Mit Händen und Füßen klappt die Verständigung jedoch wie immer. Neben uns nächtigt eine deutsche Familie aus BB, wie am S-Klasse AMG Benz (vier Auspuffrohre!) abzulesen ist. Hier hat man seine Ruhe, nachts ist es sehr dunkel, selbst der tiefe Vollmond trägt heute dunkelorange.



Nach unserer Ankunft ziehen wir schon wieder weiter, nämlich ins 8 km entfernte Volterra. Die Etruskerstadt (2500 Jahre alt!) ist eine der höchstgelegenen der Toskana. Die Aussicht bei der automobilen Besteigung ist wie gemalt. Hier kriegen die Reiseführer also ihre Landschaftsbildchen her...
Wir parken BMFY in die (nicht 2500 Jahre alte) Tiefgarage und begeben uns auf Nahrungssuche. Dabei streifen wir gaaaaaanz zufällig die Piazza dei Priori. Twilightsichere wissen natürlich sofort, dass es sich hier um den Hauptsitz der königlichen Volturi-Vampirfamilie handelt. Das weiß auch die Touristikzentrale, die hier mit entsprechenden abendlichen Führungen wirbt, um den Fans die Hoffnung auf ein paar bissige Eindrücke nicht zu nehmen. Franz möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass WIR NICHT DESHALB HIER UNSER QUARTIER AUFSCHLAGEN. Yvonne sagt, nehmen wir trotzdem mit und plant ein spontanes Interview mit einem englischkundigen Touristikvampir. Ansonsten ist Volterra bis auf ein paar dezente Schaufensterauslagen vom Boom verschont geblieben. Die Stadt ist steinalt und größer als gedacht, vor Christus war Volterra sogar dreimal so groß wie heute. In den alten Gemäuern reihen sich nette Geschäfte, auf der Straße herrscht lebendiges Treiben.

Nach einer Runde entscheiden wir uns für eine typisch toskanische Trattoria, wo wir unseren Hunger auf Steak mit Salat stillen, wobei wir uns nur aufwärmen für die Königsmahlzeit, das Florentiner Steak, doch zu diesem Brocken morgen mehr. Nach einem Verdauungsspaziergang mit dem obligatorischen Eis gönnt sich auch Tom-Tom mal eine Auszeit.



In unserem Häuschen packen wir unsere Sachen aus, schauen die Fotos des Tages an (wie waren heutemorgen noch tatsächlich in Vernazza...), bloggen und gönnen uns ein (oder zwei) Gläschen Chianti. Gleich heißt es: Florenz vorbereiten, denn die Hauptstadt der Region steht morgen an.

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