Sonntag, 25. April 2010

03

03 Turin

„Forza Torino!“, lautet unser Motto am heiligen Sonntag, doch nicht nur in Sachen Fußball schreiten wir heute vorwärts, auch bei den Sehenswürdigkeiten der Innenstadt geben wir Vollgas. An der Rezeption erfährt Franz, dass der hoteleigene Shuttelservice direkt ins Zentrum düst um 10:30 und das sogar umsonst. Bestechende Argumente, um Yvonne nur kurz nach dem Aufstehen aus dem Bad zu zerren. Im Minibus ist zwar kein Sitzpass mehr frei, doch nach der erholsamen Nacht im XXL-Bett meistern wir die Fahrt im Stande. Petrus scheint mittlerweile den Blog nicht nur zu lesen, sondern zum echten Fan avanciert zu sein, denn heute wird es unerwartet schön heiß!

Ab dem Hauptbahnhof geht es zu Fuß weiter. Turin erschließt sich wie die meisten Städte auch ohne Karte ziemlich leicht. So stolpern wir von der Piazza San Carlo zur Piazza Madame und Real den hiesigen Hauptattraktionen. Die Hauptstadt des Piemont, voll mit hellem freundlichen Altbaubestand, ist superlebendig: Obwohl Sonntag ist, brummt hier das Leben. Turin versprüht den Charme einer Großstadt, jedoch mit der Gelassenheit des Südens. Davon lassen wir uns anstecken und machen einen BioBio-Frühstücksstop in der italienischen „Flotten Karotte“. Für den leckeren Latte daheim informieren wir uns noch im einem Espresso-Laden nach möglichen Modellen. In die engere Auswahl kommen die halbelektronische limited Fiat-500-Edition sowie der riesengroße Automaten-Bruder des „Kannen-Klassikers“. Die Sehenswürdigkeiten geben wir uns nur von außen, so schaffen wir noch einen Schlenker zur Mole, dem Wahrzeichens Turin, welches man von den italienischen Euromünzen kennt. Der Bau aus dem 19.-Jahrhundert, ursprünglich von der reichen jüdischen Gemeinde initiiert, sieht aus wie eine übergroße Pickelhaube und entsprach damit nicht dem Geschmack der Auftraggeber, die das Gebäude kurzer Hand an die Stadt verkauften. Heute beherbergt es ein Kinofilm-Museum.



Turin und das Wetter sind einfach herrlich. Die Stadt nimmt uns mit offenen Armen auf, an der Tramstationen Richtung Stadio Olimpico werden wir konsequent auf italienisch unterhalten. Denn der Italiener an sich, ist er einmal in Quassellaune, redet non-stop weiter, auch wenn man seine Sprache nicht beherrscht und geht voll davon aus, das wird noch kommen. Die Mitarbeiter der Touristeninformation sind dabei die Ausnahme. Dort lernen wir, in Italien niiieeeeeemaaaaals Taxi zu fahren, allerhöchstens zu viert. Die Argumente liegen auf der Hand: Geschätzter Fahrtpreis zum Stadion in die Südstadt utopische 30 €, das Ticket für die Tram kostet 1 € pro Nase.


In der Bahn steigen immer mehr weiß-schwarze Trikots dazu. Die Fans vom Weltclub Juventus (italienischer Rekordmeister) sind zahlreich und bunt gemischt. Viele Kinder, viele Familien, jung und alt, und vor allem im Vergleich zu Deutschland: Viele Frauen. Die bekommen die Karten auch extragünstig. Yvonne zahlt sensationelle zehn Euro für einen Sitzplatz auf der Gegentribüne, was halb so teuer wie die Karten für Behinderte und mehr als ein Drittel billiger wie der Originalpreis, den Franz aber gerne berappt.



Die Atmosphäre ist ruhig und familiär, sogar richtig entspannt, obwohl Juve tabellarisch unter Zugzwang steht. Vor dem Stadion reihen sich die (in)offiziellen Fanstände: Vom Diego-Kissen, Anti-Inter-Schal (dem Erzfeind aus Mailand) bis zum gut gefälschten Trikot mit weggelassenem Nike-Zeichen für 15€ (für Franz’ Sammlung) gibt es hier alles, was das Tifosi-Herz begehrt. Dennoch besticht die klassische Spielstätte durch seine herrlich einfache Unkommerzialität und Liebe zur Tradition. Die Plätze im olympischen Stadion sind spitze, nur direkt nach Anstoß um 15:00 rückt die Mittagssonne hinter das Dach und sichert uns den wohl ersten Sonnenbrand. Yvonne faltet aus der Stadion-Gazetta einen Papierhut, auch für den Skandinavier in der Reihe vor uns. Die Italiener motzen passioniert über die Fehlentscheidungen des Schiedsrichters, während der Bari-Gästeblock auf der anderen Seite gelegentlich einen Böller zündet. Erst in der zweiten Halbzeit kommt die Heimmannschaft zum Torerfolg. Nach einem Zweierpack von Joker Iaquinta sowie einem Elfmeter von Nationalheld Alessandro Del Piero steht es am Ende 3:0 für die „Bianconeri“. Alle sind glücklich, auch wir über den herzlich familiären Fußballnachmittag.

Den Heimweg Richtung Lingotto, dem alten FIAT-Werk, in dem unser Hotel liegt, bestreiten wir zu Fuß und durchqueren das olympische Dorf der Winterspiele 2006, das leider ziemlich heruntergekommen und verwaist ist. So langsam melden sich unsere Füße das erste Mal zu Wort, was ein schlechtes Zeichen ist, denn normalerweise geht es von da an kontinuierlich bergab mit dem Standvermögen. Kein Grund für uns schlapp zu machen, denn wir wollen noch aufs Dach, die alte Fiat-Teststrecke observieren. An der Rezeption erfahren wir, dass dieses Sight nur exklusiv für Hotelgäste zugänglich ist und händigt uns nach einem abschätzenden Blick den Schlüssel aus. Auch die Wegbeschreibung hat etwas von Geheimbund: Im Einkaufszentrum den hinteren Fahrstuhl links in den vierten Stock in Richtung „La Pista“, dem Edelrestaurant auf dem Dach, das sicher keine Laufkundschaft hat. Und in der Tat: Wir schließen die Tür auf und drehen eine Runde über die einstige Teststrecke vorbei an der berühmten Glaskuppel mit Hubschrauberlandplatz, wo die Geschäftsführung früher ihren Meetingraum hatte. Die Aussicht ist einzigartig, man sieht wie Turin von den Bergen eingekesselt ist und wir genießen unseren kurzen VIP-Status. Es geht doch nichts über einen Triple-A...


Nachdem die angedachte Osteria sonntags geschlossen hatte, viel die Wahl ganz von allein auf das Feinschmeckerparadies „Eataly“, wo wir uns für Salbei-Pasta und Nudeln in Frutti di Mare entscheiden. Auch das weiße Nougat Eis aus der Region mundet unserem Gaumen.
Der sonnige Tag in Turin war richtig schön., im Hotelzimmer lassen wir ihn ausklingen: Franz mit der Flasche Südtiroler Bier vor der Liveübertragung von Roma gegen Sampdoria Genua, Yvonne bei der Planung des nächsten Tages. Hauptsache Schuhe aus.

PS: Die Fotos folgen. Wegen langsamem Internet haben wir nur die Texte online gestellt