Montag, 26. April 2010

04 Turin - Rapallo - Santa Margherita Ligure – Portofino


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Eigentlich hatten wir uns gefreut, ganz entspannt zwei Nächte im selben Bett zu schlafen, doch diese Rechnung ging nur bedingt auf...
In der Nacht (die erst kurz vor 2:00 begann...) von Sonntag auf Montag, kurz vor 4:00 Uhr, Turin.
Yvonne: (leise) Franz...?
Franz: (schnarch)
Yvonne: (mittellaut) Franz...?!!
Franz: (weiterschnarch)
Yvonne: (relativ laut, gleichzeitig rüttelnd) Franz, hier riecht es komisch...!
Franz: Mh (weiterschnarch)
Yvonne: Franz – der ALARM ist schon zweimal gegangen!!!
Franz: (kommt zu Bewusstsein) Häh, was...?
Immerhin bewegt er sich und zwar Richtung Tür. Was war passiert? Gegen halb Vier werde ich (Yvonne) durch einen beißenden Geruch wie verschmortes Reifengummi wach oder vielleicht auch durch die plötzlich draußen lärmende Belüftungsanlage. Ich gehe zum Fenster und mache es auf, der Geruch scheint nicht von hier zu kommen. Der erste Alarm geht los, relativ leise und wird auch schnell wieder ausgestellt. Ich gehe zur Tür, der Flur sieht leicht diesig aus, das kann aber auch an der Nachtcrème in den Augen liegen. Aber es riecht fürchterlich. Um die Situation noch mal objektiv nachzubewerten wecke ich: FRANZ!
Der kommt nach einem kleinen Geruchstest und einem Blick aus der Tür zu demselben Schluss: Hier stimmt was nicht! Reaktion im Ernstfall des besten Mannes von allen? „Schatz, kannst du mal die Rezeption anrufen?“ Aber klar doch... mein Held! Der Portier will mich erstaunlicherweise nicht erst beruhigen und vom Gegenteil überzeugen, sondern bietet von sich aus sofort an, uns durch einen Kollegen abholen zu lassen und einen andere Suite zu beziehen. Das lässt sich auch nicht mehr umgehen, da Yvonne langsam überlegt die Ritzen mit nassen Handtüchern auszustopfen, um einer möglichen Rauchvergiftung vorzubeugen. Zwei Minuten später sind wir schon auf dem Weg zum Fahrstuhl mit einem ziemlich hektischen Portier, der sich ein nasses Tuch vor die Nase drückt. In den Lichtkegeln des Korridors sieht man jetzt deutlich den Rauch. Wir sind nicht die ersten in der Lobby, wer allerdings nicht von alleine wach wird, wird auch nicht evakuiert – hm. Wir bekommen jedenfalls ein neues Zimmer in einem anderen Trakt, der dafür vom Blaulicht der Feuerwehr beruhigend stimmungsvoll erhellt wird. In der Shoppingmall direkt unter unserem alten Zimmer brennt es in einem Restaurant. Ist uns aber schnuppe, denn erstens sind wir hundemüde und zweitens müssen wir in 2,5 Stunden schon wieder aufstehen...

Grrr, der Wecker klingelt um 7, die Füße tun schon beim Aufstehen weh – das soll Urlaub sein? Egal, wir wollen das Turiner Grabtuch sehen, das ja nur alle zehn Jahre für sechs Wochen rausgeholt wird und doch ein guter Grund gegen ein wenig weiterdösen ist. Also schnell Mini-Morgentoilette, die Sachen aus zwei Zimmern zusammengesucht und gepackt, ausgecheckt und in sagenhaften 15 Minuten sitzen wir und ein ausgeschlafener Tom-Tom im Auto Richtung Pilgermission. Wir parken gut 2km entfernt, was schon gewagt ist, denn das Gelände ist weiträumig abgesperrt und man erkennt auf welchen Massenansturm sich die Stadt hier vorbereitet. Disneyland ist nichts dagegen! Zum Glück haben wir einen frühen Montagmorgen-Slot gesichert, so dass wir mit der festgelegten Zeit von 8.45 „nur“ eine Dreiviertelstunde Schlange gestanden haben. Ich vermute in den auf 2km ausgelegten Wartebereichen, die Anfangs auch noch sehr breit und von Cafés gesäumt sind, kann man auch gut und gerne 12 Stunden ausharren.
Nach einem kurzen Film, der schnell noch mal zeigt wo was auf dem Tuch zu erkennen ist, betritt man endlich die Kathedrale Giovanni di Battista in der Zielgeraden. Eine Frau teilt die Menge durch drei, die in verschiedene Höhen zugeordnet werden. Gott sei Dank sehen wir ganz manierlich aus und benehmen uns anständig, so dass wir tatsächlich mit den Pilgerfreaks, Geistlichen, Alten, Kinderwagen und einem Rollstuhl in die erste Reihe unten dürfen – was sozusagen der Logenplatz ist. Näher geht nicht. Fotografieren ist verboten, aber mit Verboten haben es die Italiener nicht so. Man verhängt sie zwar, aber danach übt man sich im Weggucken, was bei den vielen, natürlich auch unerlaubten, Blitzen echt schwierig ist. Na ja, so wird unser Blog also auch geadelt durch ein Foto des Turiner Grabtuches, was uns übrigens ziemlich überzeugt hat (Franz als historisches Dokument). Die Umrisse sind wirklich klar zu sehen und benötigen keiner Deutung oder viel Fantasie. Draußen ergießt man sich in kleinen Diskussionsgrüppchen, wir aber steuern unseren Parkplatz an. Schnell noch ein piccolo-Frühstück eingeworfen, darunter Franz’ erstes Trüffel-Schinken-Mozzarella-Sandwich. Dann heißt es Ciao Torino!



Die Fahrt in Richtung ligurischer Mittelmeerküste verläuft zunächst herrlich entspannt. Die Autostrada ist wieder einmal ziemlich leer und Franzi Ferarrari wird von Onkel Tom zur Ordnung gerufen. Am Rastplatz staunen wir wieder einmal über das Lebensmittelangebot der Tankstellen, das unsere Feinkostläden erblassen lässt. (siehe Fotos)
Nachdem wir das Piemont hinter uns gelassen haben, ändert sich das Straßenbild ab dem Schild „Ligurien“ sofort:. Da sind sie wieder, die riesigen Bergmassive – direkt an der Küste? Wo kommen die denn her? Statt Berg-und-Talfahrt geht es jedoch zum Glück permanent geradeaus, meistens durch Tunnel, Tunnel, Tunnel oder vereinzelt schwindelerregend hohen Talbrücken. Wir passieren Columbus’ Geburtsstadt Genua und fahren bei unserem nächsten Stop Rapallo ab,.

Die Ortswahl hatte mehr mit der räumlichen Nähe zur Schicki-Perle Portofino zu tun, als mit der historischen Fünfminuten-Terrine aus 1922, als Deutschland und Russland den Vertrag zu Rapallo unterzeichneten. Seitdem ist hier aber nichts mehr passiert, genau genommen entspricht das geschichtliche Abkommen nicht einmal seinem Namen, denn der Kontrakt wurde im Nachbarbadeort Santa Margherita Ligure beschlossen, wo wir nach unserem Check-In im Hotel Migno Posta mit dem Bus spontan hinfahren.

Santa Margherita Ligure passt sich dem wunderschönen Wetter (24°) an und macht einen freundlichen, leicht schläfrigen Eindruck. Wir gönnen uns unsere tägliche Ration Eis, drehen eine Runde auf der Uferpromenade und steigen in den nächsten Bus nach Portofino. Unsere Füße danken, dass wir die Strecke doch nicht gelaufen sind, denn auf der schmalen steilen Klippen/Küstenstraße wären wir nur Hindernis gewesen für Bus und PKW, die sich ebenfalls fast zermalmen. Blinker werden hier nicht gesetzt, wer um die Kurve fährt, hupt in freudiger Erwartung.



Portofino, seit dem zweiten Weltkrieg bevorzugter Badeort des Jetsets, erst zuletzt plantschte wieder Madonna samt Anhang hier, sieht aus wie ein Fischerdorf einer Puppenstube. Die Luxusgeschäfte (Dior und Co) wirkten etwas deplaziert im überschaubaren Ort. In den billigsten Eisdielen kostete der Tomatensaft 6,50 €, angucken ist aber umsonst. Obwohl der Ort vor Touris wimmelten, scheint es keinen der einheimischen Geschäfttüchtigen zu interessieren, denn die Yachtenhauptsaison (die, mit dem dicken Portemonnaie) hat noch nicht begonnen. Das ursprüngliche Sonderziel des Tages, das Kloster Il Fruttuoso, verpassen wir knapp. Die letzte (teure) Fähre ging vor zehn Minuten und auf die zweistündige Wanderung nach Hause haben sogar wir heute weder groß Lust noch Energie.



Zurück quetschen wir uns in den Bus nach San Margherita Ligure, das wesentlich „echter“ und wirkt. Nach einem kurzem Bummel entscheiden wir uns für die Trattoria „El Pezzi“ mit der typischen Küche Genuas. Yvonne kreuzt die Klinge mit einem Schwertfisch, Franz hatte heute so viele Pesti gesehen, dass er der örtlichen Spezialität nicht widerstehen kann. Auch am Paradegericht des Kochs, dem warmen Gemüsekuchen, kosten wir.

Den Abend lassen wir bei einem Küstenpromenaden-Spaziergang in unserer Homezone Rappalo ausklingen, wo wir an dem Wahrzeichen, der kleinen Festung im Wasser, eine hübsche Enoteca am Wasser finden, wo es einen doppelten Tiramisu als Dolci sowie einen Limonicelli und rotes italienisches Bier als Absacker gibt. Ein ereignisreicher Tag geht im netten Hotelzimmer zu Ende. Heute haben wir so viel erlebt, dass wir sogar den Balkon unbenutzt lassen.