Freitag, 23. April 2010

01 Bergamo


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Yvonnes Vater guckt erstaunt, als Franz die Küche betrat. Unsere Drohung vom Frühstück um 8.15 Uhr hatte der muntere Gastgeber offensichtlich für einen doppelten Bluff gehalten: Zum einen, weil es schon ziemlich unglaublich ist, dass sich nach dem Grillteller vom Vorabend im Gasthof zur Post schon wieder Platz für ein „Full Bavarian Bio-Breakfast“ mit allem was Feld und Weide hergeben, findet. Zum anderen, weil Papa uns den frühen Vogel nicht zugetraut hatte, aber der Wurm des Tages heißt „Bergamo“ und der liegt noch knapp 500 km hinterm Hannibal-Geröll.

Nach der dreißigsten Fassung der Grundsatzdebatte „Autobahn versus Alpenpass-Parcour“ lässt Fahrer Franz das Tom-Tom-Orakel entscheiden. Die spezielle Korridor-Vignette wird praktischerweise auch an der Aral-Tankstelle angeboten und die 15km Österreich sind sogar billiger als Yvonnes Hallo-Wach-Macchiato. Kein Pardon kennt jedoch die Schweiz (vonwegen „neutral“), sowohl preislich, als auch von der Straßenführung. Der Splügenpass im Heidiland (wir passierten tatsächlich Maienfeld) ist zwar noch geschlossen (Diskussion endgültig beendet), aber der San Bernadino hat auch seine Schikanen. Zwar können wir den Spritverbrauch massiv drosseln, da wir bei der steilen Abfahrt das Gaspedal bis Lugano nicht benutzen, dafür war vollste Konzentration gefragt in den einspurigen Tunneln und Serpentinen. Fremdes Terrain für einen Niederländer.



Lugano kennt nur 35 Regentage im Jahr, wir erwischen einen davon und arbeiten uns durch den klatschenden Fieselregen (sowas gibt es), der uns bis Bergamo erhalten bleibt. Also fällt auch der Luxusblick in Como auf See und Clooney ins Wasser. Das Trostplaster, über die Landstraße etwas mehr von Land und Leuten zu sehen, erweist sich als Schnapsidee, denn die Nachfahren Italiens berühmter Bauherren machen aus jeder Geraden einen Kreisverkehr. Schwindelig durch all die Straßenschnörkel, geben wir nur wenig später dem laut nörgelnden Navi nach und folgen der superschäbigen, aber effektiven 4-Spur-Maut-Autostrada gen Monza – Milano – Bergamo. Wenn die italienischen Autofahrer eine Position im Fußball wären, dann Libero. Aber da jeder das weiß, funktioniert’s ohne Schiri, wenn auch nicht ohne Dellen und Kratzer.

Bergamo liegt, wie es der Name für Naseweiß-Deutsche vermuten lässt, auf einem Berg, zumindest die Altstadt. In der haben wir unser Quartier gebucht, das Dream House, zu dem uns Vermieterin Antonella erst lotsen muss. Die Straßen sind eng, sehr eng, glitschig mit mittelalterlischem Kopfschmerzpflaster und uneinsichtigen Winkeln. Von wegen verkehrsberuhigt: Seniora düst mit ihrer englischen Rennpflaume bei 80 km/h vor und wir versuchen dran zu bleiben. Das sieht aus wie in einem 60er Luis De Funés-Film, bleibt aber wie durch ein Wunder folgenlos. Hier tut man echt alles für eine Parkvignette direkt im Herzen der Altstadt. Antonella setzt den Weg zu Fuß ebenso rasant fort wie zuvor und führt uns zum Appartment, dass seinem Namen alle Ehre macht. In einem Gebäude aus dem vermutlich späten 17. Jhd. geht unsere Ferienwohnung über drei lustige Mini-Etagen, verfügt über einen Kamin, eine tolle Küche und ein paar geschmackvolle Antiquitäten und ist schlicht perfekt.

Ausgeruht (90 Sekunden...) geht es um die Ecke ins Zentrum der Citta Alta. Vordringliches Ziel, trotz bezaubernder Boutiquen und Bäckereien: Gelateria „La Marianna“. Hier wurde nach dem zweiten Weltkrieg nämlich das Stracciatella-Eis erfunden! Und Sehenswürdigkeiten, die man essen kann, stehen bei uns ganz hoch im Kurs. Das Eis war cremig, aber nicht fettig. Mit dem Esslöffel wird es in das Hörnchen gestrichen, nix Kugel. Trotz Fiesel wollen wir von der Stadtmauer die Aussicht begutachten und arbeiten uns tapfter durch Läden, Kirchen und Plätze. Es ist richtig schnuckelig hier, größer als befürchtet und schon faszinierend, wie strikt die Trennung zwischen komplett historischer Altstadt und Neu-Stadt am Fuß des Berges eingehalten wird.





Die Oberstadt haben wir fertig, die Fahrt hat geschlaucht, also machen wir uns auf die Polenta-Suche. Gries in allen Variationen ist hier nämlich regionale Spezialität. Die wahren Schätze lauern dabei in den Seitengassen. Am typisch bergamanesischen Feinkost- und Weinspezialisten L’Alimentari di Via Tassis ist auch ein Speiseraum versteckt, den man sich gerne mit den Weinregalen teilt. Der Chef ist superfreundlich, gar nicht schmierig, ein ebenso begeisteter Gastgeber wie Achim und gehört uns ganz allein. Auf der Karte entdecken wir für zehn Euro eine Weinprobe durch fünf regionale Sorten, dazu gibt es göttliches Kaninchen mit Polenta (F) sowie den Polenta-Klassiker mit Pilzen und Ei (Y). Bergamo, ein Glücksgriff in allen Belangen. Nur Petrus muss morgen nachlegen.


Hier die Fotos aus Bergamo:

01 Bergamo